Sonntag, 29. November 2009

Wieder zu Sloterdijk: S. schreibt von FOX NEWS ab

Liest man den New Yorker, entpuppt sich Sloterdijk als Anhänger von Glenn Beck, einem Gift und Galle speienden rechten Fox-TV-Moderator. Einer von dessen Grundsätzen zum Thema Steuern lautet: "I work hard for what I have and I will share it with who I want to. Government cannot force me to be charitable."

Montag, 9. November 2009

Störungsmelder!

Die Zeit versorgt uns mit dem "Störungsmelder": "Hier geht es um Neonazis" Die Seite ist richtig gut und bietet alles mögliche, von tagesaktuellen Meldungen bis zur Analyse. Neuester Post (gepostet heute am Großen Mauerfalltag): Aktionswochen gegen Antisemitismus.

Mittwoch, 4. November 2009

Ganz klar hintergründig migrantisch

In den Medien, wird dem "deutschen" jetzt oft das "migrantische" gegenübergestellt. Auch die eine oder andere Institution benutzt dies Etikett, etwa Astas oder Forschungseinrichtungen, in deren Veröffentlichungen das Neu-Adjektiv auftaucht. Es gibt lt. Google sogar ein Buch, das dieses Attribut im Titel führt, wohl das erste überhaupt.

Migrantisch wird benutzt, als wäre es eine neue Nationalität. Seit "ausländisch" nicht mehr gesagt wird (zu Recht, wurden damit doch ständig de-facto-Inländer sprachlich zumindest deutlich auf Dinstanz gehalten), beginnt die Neuschöpfung ihren Dienst zu tun. Es ist die Adjektivwerdung des bereits allgegenwärtigen "mit Migrationshintergrund". Dieses Wort vom Migrationshintergrund finde ich unglücklich, da es so klingt, als hätte jemand - im Gegensatz zu denen ohne "Hintergrund" - noch was anderes am Laufen, dem man erst auf den Grund kommen muss. Es ist auch maximal unhandlich und wohl lediglich in Ermangelung von etwas Bessrem im Einsatz. Der Soziologe Robert Castel hat außerdem dazu geschrieben (bezogen auf Frankreich, wo es eine ganz ähnliche Formulierung gibt), dass der Begriff Menschen, die de facto im jeweiligen Land längst angekommen und zu Hause sind, wieder zu Fremden mache, zu Personen, die etwas an sich haben, das einfach "nicht weggeht". Das wird von den Betroffenen zumeist nicht als ermutigend empfunden.

Was sich hinter diesem "migrantisch" verbirgt, das müssen wir in künftigen Posts noch erkunden.

Montag, 2. November 2009

Ausgegraben: Die Zeit und die Integration

Vor gut fünf Jahren zog Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo nicht so richtig, sondern nur ein bisschen gegen "die Türken" vom Leder: "Drinnen vor der Tür. Auch nach drei Generationen sind die Türken in Deutschland nicht angekommen" heißt seine Ereiferung. Er kommt gleich zur Sache: "40 Jahre nach der ersten Einwanderungswelle in Deutschland ist der soziale Aufstieg der Türken kaum zu erkennen. Kann das sein, darf das sein?" Interessant ist besonders der zweite Teil der Frage: darf das sein? Wieso "darf"? Muss man sich den sozialen Nichtaufstieg erlauben lassen bzw. ist dieser verboten? Oh la la, man erwartet da bereits eine gewaltige Standpauke. Nach der Versicherung, man (sic) wünsche sich die Türken nicht weg, kommen die Zahlen, die die "erschreckende Erfolglosigkeit" der Türken belegen, vor allem aber folgt der beiläufige Hinweis darauf, dass das kostet: "den Steuerzahlern [werden hier] schwer nachvollziehbare Belastungen abverlangt"! Kommt mir bekannt vor. An den Stammtischen wird das ganz routiniert "Zuwanderung in die Sozialsysteme" genannt. Auch Herr Lorenzo weiß die eine oder andere rhetorische Wendung, um uns abgestumpfte Bürger aufzurütteln: " (es) gibt zu viele Türken, die ... den Sozialstaat hemmungslos ausbeuten." Wow, das saß. Man reibt sich die Augen. Hat man das eben tatsächlich in der "Zeit" gelesen, in jenem Blatt, das regelmäßig z.B. auch die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler um Wilhelm Heitmeyer veröffentlicht? Stichwort zunehmende Fremden- und Menschenfeindlichkeit? Herr Lorenzo sieht schlussendlich doch so aus, als würde er gern den einen oder anderen wegwünschen. Zum Beispiel findet er, dass man etwa das Bleiberecht vom Besuch des Integrationskurses abhängig machen könnte. Toll, kaum gibt es Integrationskurse, da möchte einer sie auch schon als Abschiebegrund benutzen.

Wen jenseits dieses unheilvollen Geredes Fakten interessieren, der sei an diese Seite verwiesen. Eine Zusammenfassung der Diskussion wie der Faktenlage gibt es hier.

Freitag, 30. Oktober 2009

Eltern an den Pranger gestellt

Ein FAZ-Artikel über Berlin-Neukölln: Auf einem Bahnsteig schlägt ein türkischer Vater seinen Sohn, vor Gericht kommt das ganze Elend zutage: Vater vorbestraft, Sohn Schulschwänzer und auf dem Weg in eine kriminelle Karriere.

Dass man schlagende Eltern zur Verantwortung ziehen muss, dass man die Schulpflicht durchsetzt: natürlich. Aber der Artikel hat ein anderes Ziel. Liest man ihn, könnte man meinen, sämtliche Sozialleistungen kämen türkischen und arabischen Einwanderern zugute (diese werden einzig genannt, es wird kein bisschen differenziert). Man könnte außerdem meinen, es gäbe nur türkische und arabische Familien-Gewalt.

Am Ende des Textes steht daher auch kein Programm, wie diesem Elend, wo es angetroffen wird, beizukommen wäre. Statt dessen werden die türkischen und arabischen Eltern an den Pranger gestellt und der blanken Empörung ausgeliefert.

"Falsche Toleranz und eklatantes Desinteresse" werden als Ursachen für die Probleme genannt und die Passivität der Behörden ausdrücklich kritisiert, andererseits "Schulen, Staat und Politik" von Verantwortung freigesprochen. Wie bitte? Was denn nun? Wer denn ist für die Behörden verantwortlich?

Dass der "Unruhestifter Sarrazin" (verbeugt sich die Autorin hier vor ihrem Vorbild?), dass also der öffentlich meckernde Sarrazin nicht verantwortlich ist, geschenkt. Sehr wohl trägt aber der Berliner Ex-Finanzsenator eine gewisse Mitverantwortung in Berlin.

Kein einziges Wort zur Alltagsdiskriminierung in Schule, Jobsuche und Gesellschaft. Hier wäre zweifellos einiges zu tun, man könnte und müsste noch besser gegensteuern. Das scheint die FAZ-Autorin aber nicht zu interessieren. Im Gegenteil möchte sie im Grunde wohl weniger politische Maßnahmen, statt dessen fordert sie lautstark und mit dem Finger zeigend mehr Bestrafung, und zwar nur Bestrafung.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Sloterdijk-Debatte: P. Bahners berichtigt Bohrer

Patrick Bahners nimmt in der heutigen FAZ ("Die Wunde Habermas" 27.10.2009) Heinrich Heine gegen K.-H. Bohrer in Schutz (mittlerweile hier online). Bohrer hatte sich in einem FAZ-Artikel auf Sloterdijks Seite geschlagen und u.a. Heine für seine Zwecke einzuspannen versucht. Bahners legt dar, dass Bohrer hier etwas grundsätzlich missverstanden habe, in seinen Eifer "unterläuft ihm (Bohrer) eine kuriose Verzeichnung Heines". Non, Herr Bohrer, der Dichter hat "immer das Recht der Egalität verkündet," so Bahners.

Dienstag, 27. Oktober 2009

Noch einmal zu Sloterdijk,

In Rousseau sieht Sloterdijk den Ur-Sünder, gewissermaßen den ersten Sozialisten. Vom französischen Schwärmer zieht er eine gerade Linie bis Marx und weiter. Sie alle hätten die Unternehmerklasse in Verruf gebracht. Daraus resultiere der Status quo eines "steuerstaatlich zugreifenden Semi-Sozialismus". Hier verneigt sich Herr Prof. Sloterdijk tief vor den Liberalen, sie hätten verdienstvoll "auf die Gefährdungen aufmerksam gemacht", "die den gegebenen Verhältnissen innewohnen." Er nennt Überregulierung, Überbesteuerung und Überschuldung.

Sloterdijk zieht auch eine durchgehende Linie vom Feudalismus - ja, dieser sei ausbeuterisch gewesen - bis in die heutige Zeit. So, als hätte die moderne industrialisierte Welt sich über Nacht und wie von Geisterhand konstituiert. Von Manchester-Kapitalismus keine Rede, keine Rede also von den Verhältnissen des Frühkapitalismus, die etwa Marx in England beobachtete und die wesentlich seine Theorien beeinflussten. Keine Rede von Kinderarbeit in Bergwerken zum Beispiel. Was sagt Herr Sloterdijk hierzu?

Nichts. Er möchte lediglich den Begriff des Kapitalismus seiner negativen Konnotationen entkleiden. Dazu muss er die Geschichte der Industrialisierung so erscheinen lassen, als hätte es einen ernsthaften Gegensatz von Arbeit und Kapital niemals gegeben, weil Unternehmer sich "väterlich" um ihre Arbeiter kümmern. Letztere aber seien undankbar und forderten ebenso wie die Gesellschaftsmehrheit der Null- und Wenig-Verdiener immer mehr. Das werde nicht lange gut gehen, orakelt der Philosoph. Vor allem, da mehr "Enteignungen" und wachsende Staatsschulden sich am Horizont abzeichnen.

Aha, dann hat Rousseau also sowohl die Investmentbanken und Hedge-Fonds, am Ende z.B. auch einen Madoff selbst zu ihren Geschäften animiert?

Der Fiskus darf jetzt die Scherben aufsammeln, dabei über Jahre zusammengesparte Haushalte pulverisieren, muss danach aber bitte ganz leise sein, keinesfalls Forderungen stellen und den Rückzug antreten? Sicher doch, dem werden bestimmt alle Steuerzahler zustimmen.

Lettre-Herausgeber spielt Sarrazin-Ausfälle herunter

Lettre-Herausgeber Frank Berberich ist beleidigt, weil niemand sein superintellektuelles Interview mit dem großen Denker Thilo Sarrazin ganz lesen wolle. Man habe in der Debatte gewisse Stellen aus dem Zusammenhang gerissen, es handele sich aber um einen "Hintergrundtext zu Wirtschaft, Finanzen und Verwaltung Berlins", seriös also. Herr Berberich selber zitiert wiederum sehr, sehr selektiv aus dem Text (einen der harmloseren Sarrazin-Sätze) und fragt dann mit großen Augen: was soll daran denn schlimm sein?

Der Einwanderer ist entsetzt von Herrn Berberichs Verharmlosungen. Für die Lettre werden wir niemals mehr auch nur einen Cent ausgeben!

Freitag, 23. Oktober 2009

Abschließend zur rhetorischen Plasberg-Fragerei

Plasbergs Sendung einstellen? Patrick Bahners: "Alter, frag doch nicht so blöd!"

Donnerstag, 22. Oktober 2009

Auch Herr Universitäts-Prof. Peter Sloterdijk

Auch Herr Universitäts-Prof. Peter Sloterdijk entpuppt sich als ein Meister darin, "zu sagen, das muss doch gesagt werden können, ohne genau zu sagen, was da [in diesem Fall von Sarrazin] eigentlich gesagt worden ist" - ganz neue Diskursmöglichkeiten eröffnen sich, sagt der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke in dradio.de.

Über Sarrazin lachen mit Alan Posener

Alan Posener nimmt Sarrazins Bullshit so unterhaltsam wie scharfsinnig auseinander. Am besten alle Folgen ansehen.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Zum Umgang mit rechtem Gedankengut

liefert der Psychologe Micha Hilgers sehr interessante Überlegungen in einem bemerkenswerten, überschaubaren Text, der hier zugäglich gemacht wird. Nicht, dass damit alle Fragen geklärt werden, aber doch einige.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Arm dran trotz Abi & Studium

Die NZZ berichtet stolz über Schweizer Verhältnisse und denen nördlich von ihr. Noch schlechter als in Deutschland haben es Einwanderer in Österreich.

In vielen Kommentaren wird die offenkundige Benachteiligung wieder sarrazinesk zu einem unüberwindlichen Integrationshindernis umgedeutet.

Dienstag, 13. Oktober 2009

Englische Verhältnisse

The Spectator: Nicht Rassismus sei das Problem, sondern dass man seinesgleichen bevorzuge. Aha.

FR zieht nach :)

Thilo auf der Couch heißt es heute auch in der FR.

Montag, 12. Oktober 2009

Sarrazin zum Sprechen gebracht ...

Die Süddeutsche Zeitung schreibt, dass an Sarrazins Äußerungen die Aggressivität auffalle. In der Frankfurter Rundschau heißt es knapp: "Der Mann ist verrückt. Und sonst gar nichts." Es werden also über das Rationale hinaus gehende Ebenen des Interviews thematisiert.

Liest man den Text in der Lettre, fallen zwei Dinge auf: 1. Sarrazin kommt regelmäßig vom Thema ab (und landet recht oft bei seinen Parolen). 2. Sanfte Nachfragen des Interviewpartners vermögen ihn nicht auf den rechten Pfad zu führen. Es muss geradezu starrsinnig genannt werden, dass Sarrazin auch nach mehrmaliger Nachfrage etwa daran festhält, dass die Politik die sog. Integrationsproblematik nicht lösen könne. Immerhin war der Mann Politiker.

Wir wissen natürlich nichts von den Motiven der Lettre-Macher, ausgerechnet ihn zu interviewen, aber es könnte doch sein, dass in diesem Heft, das immerhin Berlin auf der Couch hat, auch der Herr S. liegt und, von vorsichtigen Nachfragen von jenseits des Kopfendes zum Sprechen gebracht, frei assoziiert und für alle Welt sichtbar macht, um welche Knäuel sich die meisten Ideen wie von selbst wie Metallstaub in einem magnetischen Feld gruppieren bei diesem Berliner Spitzenpolitiker a.D.

Sarrazin auf der Couch?

Das Interview der Lettre International mit Thilo Sarrazin, genauer: bestimmte Äußerungen innerhalb des langen Interviews (Auszug) waren ein Thema, auf das sich vor allem die Online-Communities (die halbanonymen Benutzer der Internetforen) warfen. Ob bei der Zeit, dem Tagesspiegel oder der Bild: die Online-Leser machten die Meinungen des Ex-Senators zu einem der meistdiskutierten Themen überhaupt.

Dann wurde das Volk auch direkt befragt. Nach einer im Auftrag der Bild durchgeführten Studie stimmt eine knappe Mehrheit dem ehemaligen Berliner Finanzsenator zu (vgl. heise.de "Die Integrationsfähigkeit der Äußerungen Sarrazins"). Wobei das Ergebnis fraglich ist, denn es wird recht suggestiv gefragt. Kaum jemand zitiert sämtliche Äußerungen und auf dieser neuen Grundlage wird dann "abgestimmt" (hier ein Beispiel einer stark entschärften Wiedergabe - nur die vergleichsweise harmloseren Äußerungen werden zitiert und das Interview insgesamt, von dem viel eben auch verschwiegen wird, soll dann eben gar nicht problematisch sein; vgl. auch welt.de)

Auf der anderen Seite veröffentlichten bald auch Zeitungen und Magazine Kommentare zu Sarrazin und schlossen sich, wie etwa die Wirtschaftsblätter FTD und Handelsblatt, der Kritik des Bundesbankpräsidenten an (Sarrazin müsse nach diesen diskriminierenden Äußerungen seinen Posten räumen) oder verteidigten Sarrazin. Bild, Zeit und Tagesspiegel u.a. meinten, dass Sarrazin nicht immer den "richtigen Ton" getroffen habe, aber in der Sache vollkommen richtig liege (mittlerweile sind die Beiträge kaum noch zu überblicken).

Nun zogen auch öffentlich-rechtliche Medien nach: der WDR veranstaltete eine "Hart, aber fair"-Runde, wo Herr Ströbele und eine Einwanderin sich gegen eine Mehrheit der Sarrazin-Verteidiger ihrer Haut erwehren müssen (vor allem Frau Kilicarslan durfte selten ausreden, v.a. nicht, wenn sie Belege anführen wollte gegen so viele unbewiesene Behauptungen. An einer Stelle wollte sie Belege für schulische Benachteiligung der Einwandererkinder liefern, wurde aber lautstark zum Schweigen gebracht.)

Manche Frage bleibt offen, dem Einwanderer scheint eine besonders wichtig: seit wann wird denn im Fernsehen darüber abgestimmt, ob jemand wie Sarrazin gegen Gesetze verstoßen hat oder nicht (immerhin, das ist ein wenig in Vergessenheit geraten, wurden gegen Sarrazin wegen Anfangsverdachts seitens der Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen)? Auch nicht unbedeutend ist u.E. die Frage, was mit dem Rundum-Herabwürdigen von Minderheiten eigentlich erreicht werden kann und soll. Aber bereits dass hier herabgewürdigt werde, wird ja heftig bestritten. Dialog ist da unmöglich.

Es ist ja schon überhaupt nicht nachvollziehbar, dass man einerseits Benachteiligung feststellt (man zählt ganz richtig auf, dass manche Einwanderergruppen und ihre Nachkommen rechtlich, sozial und politisch schlechter gestellt sind), diese aber den Benachteiligten selbst anlastet.